Im Juni 1988 präsentiert die Mailänder Scala L’Elisir d’Amor, einer der Gipfel des Werks von Donizetti. Das Publikum lacht, protestiert, pfeift bei der Vorstellung dieser Oper, die man verjüngen wollte.
Einige Zeit vorher wird in Bordeaux eine Flasche Wein dieses Namens der alleinige Star des Abends sein.
In der Opéra Comique siegten nicht lange dananch die Kehlbwegungen des hervorspringenden Kinns (Sutherland verpflichtet !) von La Fille du Régiment so eben über die Stimmritzenbewegungen, die angeblich Frankreich grüssen. Donizetti bleibt modern und seine Librettisten ebenfalls.
The Bride of Lammermoor (La Fiancée de Lammermoor), 1819, wird das Libretto von Salvatore Cammarano für Lucia di Lammermoor (26. September 1835, Teatro San Carlo di Napoli) inspirieren; Kenilworth ; Guy Mannering (1815) und The Monastery (1820) das von Scribe verfasste für La Dame Blanche von François Adrien Boïeldieu ; The Lady of the Lake wieder Tottola aber auch für Rossini diesmal in La Donna del Lago ; The Fair maid of Perth (1828) wird Grundlage für das Libretto von J.H. Vernoy de Saint-Georges und J. Adenis für La Jolie Fille de Perth von Georges Bizet sein; schliesslich The Pirate nach dem Libretto von Charles Maturin, dem Il Pirata (Milan, 1827) von Bellini nicht total fremd ist.
Hier zieht also die gesamte, oder fast, musikalische Romantik mit Gaëtano Donizetti als einem der herausragenden Vertreter vorbei.
Der in Bergamo in der venezianischen Lombardei am 28. November 1797 geborene Komponist erhält seinen ersten Musikunterricht am städtischen Lyzeum für Musik von Bologna, einer vor ihm von Rossini besuchten Schule. Donizetti wird in 25 Jahren mehr als 75 Opern schreiben, ausser Messen, Kantaten, einem Miserere, etwa zehn Salonstücken (Matinées Musicales), nachdem er seine erste Oper Enrico di Borgogna während seines Militärdienstes, als er in Venedig stationiert war, komponiert hatte.
Beispiele fruchtbarer Schnelligkeit, diese 19 Opern in zehn Jahren (1818 bis 1828), deren Titel zu notieren genügt :
Il falegname di Livonia, Le nozze in villa, Zoraida di Granata, La Zingara, La lettera anonima, Chiara e Serafina o Il pirata, Il fortunato inganno, Aristea, Una Follia (déjà), Alfredo il grande, L’ajo nell’imbarrazzo, Emilia, Alahor in Granata, Il Castello degl’Invalidi, Elvida, Olivo e Pasquale, Il borgomastro di Saardam, Le Convenienze Teatrali, Otto misi in Due ore.
Unter all diesen nicht ohne Hast hingeworfenen Werken war Zoraïde di Granata, in Rom aufgeführt, das einzige, das einen gewissen Erfolg hatte.
Mit L’Esule di Roma, 1828 für Neapel komponiert, steigt Donizetti in der Gunst des Publikums.
Immer im Sturmschritt und um seine Engagements, mit den Impresarii, einzuhalten, gibt der Komponist noch : Alina, Regina di Golconda, Gianni di Calais, Il Giovedi Grasso o Il nuovo Pourceaugnac, Il Paria, Elisabetta al Castello di Kenilworth, Il Diluvio Universale, I Pazzi per progetto, I melda de Lambertazzi, La Romanziera und Francesca di Foix.
Francesca di Foix ? Sollte irgendein Regisseur die kühne Idee haben, dieses letztere Werk auf die Bühne zu bringen, welche Kulissen wären geeigneter als die der Stadt Evreux und seines Hôtel de la Biche (Hotel Hirschkuh) für ein derartiges künstlerisches Unternehmen ?
In der Tat, Françoise de Foix, Tochter von Gasto Febus (so sehr bewundert von François I.), Gräfin von Chateaubriant, geboren 1475, Schwester des Grafen von Lautrec und des Marschalls von Foix, wurde sehr jung mit Jean de Laval-Montmorency verheiratet, Herr von Chateaubriant, in der Bretagne, der sie an den Hof brachte. Sie verursachte dort François I. eine starke Leidenschaft, wurde aber im Herzen des Königs verdrängt von Mlle d’Heilly, Herzogin von Estampes und blieb Zielscheibe der Eifersucht ihres Ehemannes. Es werden von ihr sehr romantische Abenteuer erzählt und Legenden, dabei ein Rendezvous mit dem König genau an der Stelle des heutigen Hôtel de la Biche, das eifersüchtig ihr Andenken bewahrt.
Françoise de Chateaubriant war 1536 nach der Befreiung von François I. aus spanischer Gefangenschaft an den Hof zurückgekommen. Als sie das Herz des Königs verloren hatte, verlangte dieser die Rückgabe der Juwelen, die er ihr geschenkt hatte und auf die man die von Marguerite de Navarre (die “Margerideto” der Lieder der Grafschaft Foix (Cf : Gabriel Fauré, Musicien d’Ariège, (fr, en, de), September 1988) verfassten Liebessprüche eingraviert hatte.
Françoise de Foix starb am 16. Oktober 1537. Es bedurfte eines Clément Marot, um ihr eine gerechte Huldigung darzubringen : Die Gräfin liess sie einschmelzen und sagte dem Edelmann, der mit dem Befehl von Françoise I. beauftragt war : “Bringen Sie das dem König und sagen Sie ihm, da er mir so freigebig geschenkt hatte, gebe ich ihm ebenfalls und schicke in Goldbarren zurück. Was die Sprüche angeht, habe ich sie in meinen Gedanken so gut eingeprägt und angeordnet und halte sie dort so teuer, dass ich nicht ertragen konnte, dass jemand anders ausser mir sie zur Verfügung hätte, sie genösse und Freude daran hätte”. Der König (man bewundere die schöne Illumination, die ihn 1532 in der Gesellschaft von Claude d’Urfé darstellt) schickte ihr die Barren zurück.
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Unter diesem Grabstein liegt Madame de Foix,
Von der ein jeder nur Gutes sagen wollte,
Und es sagte ohne dass je eine einzige Stimme
Sich erhob die dem widersprechen wollte.
Mit grosser Schönheit, mit Grazie, die anzieht,
Mit gutem Wissen, mit rascher Intelligenz,
Mit ehrenvollem Gut und besser als Worte,
Begabte sie reich der ewige Gott.
O Wanderer! um die Aufzählung abzukürzen,
Hier liegt ein Nichts, da wo alles triumphierte.
Clément Marot
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Nach Anna Bolena (Episode aus dem Leben Heinrichs VIII. von England : Anne de Boulen - mit Hilfe des Schafotts- macht ihrer Rivalin Jane Seymour Platz) und Gianni di Calais (der unbemerkt bleiben wird) lässt Donizetti seiner Feder freien Lauf und produziert : Fausta, Ugo, Conte di Parigi, L’Elisir d’Amore, Sancia di Castiglia, Il Furioso di San Domingo, Parisina, Torquato Tasso, Lucrezia Borgia, Rosmonda d’Inghilterra, Maria Stuarda und Gemma di Vergy, Stücke, in denen er die gleiche Leichtigkeit der Konzeption unter Beweis stellt, aber mit einer Tendenz zu grösserer Tiefe.
1835 veranstaltet die Leitung des théâtre italien von Paris eine Art Wettbewerb zwischen den 3 am meisten beachteten Komponisten Italiens : Donizetti mit seinem Marino Faliero, Bellini und seine Puritani di Scozia, Mercadante und I Briganti : die Palme wird für Bellini sein.
Donizetti komponiert dann seine Lucia di Lammermoor, Oper, in der der Wahnsinn - bekanntermassen - eine herausragende Stelle einnimmt, so wie er den Geist des Komponisten beherrscht haben muss, als dieser fast gleichzeitig seine Frau, die 28 Jahre alt war, und seinen einzigen Sohn verloren hatte. Wie könnte man nicht an Verdis Schicksal und das seiner Traviata, capolavoro assoluto, aus ähnlichem Unglück hervorgegangen, denken. Danach folgt 1837 Roberto Devereux, Graf von Essex (wieder Evreux !) und La Fille du Régiment (ohne grossen Erfolg an der Opéra Comique gegeben) während die Académie Royale de Musique darangeht, Les Martyrs (nach dem Polyeucte von Corneille und den Martyrs von Chateaubriand (wieder Chateaubriant !) zu inszenieren. La Favorite erscheint als Höhepunkt des Werks (Richard Wagner wird die Partitur für Kornett reduzieren).
Aber ihr Erfolg wird trotz des ganzen Talents von Rosine Stoltz mühsam sein. Nachdem er Frankreich erobert hat (Berlioz beklagt sich in den Débats : “Herr Donizetti behandelt uns wie ein erobertes Land. Das ist eine wahrhaftige Invasion”. reist Maestro orgasmo (so wird er genannt...) nach Bergamo ab, wo er Prophet im eigenen Land ist. Er schreibt noch Adelia für Rom, Maria Padilla für Mailand, Linda di Chamounix für Wien, was ihm den Titel Kapellmeister des Kaisers einbringt, (ein Beethoven verweigerter Posten) Don Pasquale für Paris, Maria de Rohan für Wien, Dom Sebastien für die Oper von Paris.
Aber da ist schon eine Vorwarnung von der "Follia". Das Übermass an Arbeit und auch die Folgen einer traurigen früheren Krankheit, führen eine plötzliche Schwächung seiner intellektuellen Kräfte herbei. Seine geistige Gesundheit verändert sich. Er muss sich in einem euphemistisch sogenannten Erholungsheim in Ivry, dann in la Barrière beim Etoile aufhalten ; er verscheidet in Bergamo (wohin ihn sein Neffe zurückgebracht hatte) 1848 : er war 51 Jahre alt.
“Donizetti”, schrieb Fétis 1836, “ist jetzt Professor für Kontrapunkt an der königlichen Hochschule von Neapel, er ist fähig, seine Funktionen gut zu erfüllen, denn er hat Wissen, und er ist fast der Einzige unter den jungen italienischen Komponisten, dem man dieses Lob geben kann”. Fügen wir unsererseits hinzu, dass Donizetti, ausserdem, eine vollkommene Kenntnis der Kunst des Gesangs hatte und überragend am Klavier begleitete. Er schrieb selbst das Libretto für mehrere seiner Werke...
Was, alles in allem, die meisten unserer modernen Ritter des Kronleuchters ohne Kerze lässt, nicht wahr ?
Claude d’Esplas (Les Merlufleaux)
Unveröffentlichter Wortlaut
Übersetsung : Dagmar Coward Kuschke (Tübingen)
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