Freitag, 29. Januar 1971
Fräulein Arsinoé treibt mich bei einem Heizkörper in die Enge, um mir, den Tränen nahe, zu verkünden, dass ihre kleine Katze gestorben ist. “Wo ist sie jetzt?”, fragt sie mich und fixiert mich verzweifelt über ihren Schnurrbart hinweg. “Kann eine Katze nicht vor Kummer sterben, Madame?”
Freitag, 25. März
Fräulein Arsinoé, Feenkönigin mit Rosenkranz, streitsüchtig wie ein Wiesel, beklagt sich, dass Cheucheu, der Direktor, während der Klassenkonferenzen ihr gegenüber Bemerkungen macht und sie mit seiner sehr unvollkommenen Sympathie verfolgt. Eines Tages, als sie dummerweise und rot vor Verlegenheit vor etwa zehn Personen ihren Rosenkranz fallen lässt, hebe ich ihn auf und halte ihn ihr hin, wobei ich mich wundere, warum sie sich wegen Jesus so schämt.
Montag, 21. Mai - 14h30
Unter anderen Albernheiten gibt Fräulein Arsinoé bekannt, dass sie jeden Sonntagabend im Sacré Coeur zur Messe geht, weil es da oben angenehm ist und weil ihre Freundin, Fräulein Hunegonde, diese Gussform für Soldaten, immer zu wissen verlangt, ob sie auch gewissenhaft für sie betet. Alle beide unterrichten in der Papi-Kaserne!
Montag, 31. Mai 1976
Fräulein Arsinoé, konfliktfreudige Mathematikerin und Kusine eines in Gunst stehenden Direktors, gibt einen Ess-Abend in ihrer Wohnung am Place Cluchu: 22 Gäste stehen auf dem Programm, darunter die Hierarchie der Papi-Institution. Aber Pataphos, der letztes Jahr in Pension gegangen ist, bleibt im letzten Augenblick fern, denn die Nr.1 hatte der Pensionierung dieses Elite-Graeco-Lateiners nicht die angemessene Aufmerksamkeit gewidmet. Das Fest verlief indessen unter ausgezeichneten Bedingungen.
“Der Ayatollah” Arsinoé, Kusine von Direktor San Frusquin, sorbonikoler Ex-Mathematiker, findet den gegenwärtigen Erzbischof von Paris zu links, und sie hat den Direktor des Petit Lycée gezwungen, sich öffentlich bei ihr zu entschuldigen, vor den Schülern, genau die, vor denen er die Schöne belästigt hatte. “Einen Kuss zur Begrüssung?” hatte ihr Cheucheu mit weit geöffneten Armen vorgeschlagen, während die Schöne entsetzt vor diesem Schul -”Satan” zurückwich: Fräulein Arsinoé also stellt mir die beiden Schulgeistlichen vor: der ältere (“der Bischof werden wird; nicht weitersagen”) erklärt mir schlankweg, dass er Fräulein Arsinoé im Auge behält, denn “sie bändelt mir mit allen jungen Priestern an”. Das anvisierte Gemeindemitglied rächt sich, indem es mir ins Ohr flüstert, dass der Geistliche ihr lieber Schüler unter den Erstklässlern am Lycée Valmy war und dass...und dass...aham...aham...das alles, während sie ein Ziborium mit überfliessendem Champagner hochhielt und bevor ich mir erlaube zu bemerken, dass man in Lourdes nur Wasser trank ... kaltes, zumindest bei den damaligen Soubirous, und sie bitte, mir den Namen jenes Doktors der Theologie ins Gedächtnis zu rufen, der berühmt ist für seine Arbeit über die Gespräche zwischen Bernadette und der Mutter von Jesus - tausend Seiten - und der nicht ein Sterbenswörtchen der Sprache kennt, in der sich die beiden unterhielten.
1. November 1977 - Die Mathematik
Von Pierre-Louis L. und Jean-Christophe Y., Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, die sich für eine Übersetzung ihrer Arbeiten in eine so einfache Sprache wie die Mathematik des gleichen Namens aussprechen, denn was die Fächerwahl anbetrifft, hat die Mathematik den Platz von Latein eingenommen: “die Welt gehorcht mathematischen Gesetzen” (Hm, hm !). Bedeutet das, dass die Geschichte der Zahlen nur die lange Wanderung ist, die die Eins von der Null trennt (“eine Null ohne Wert, eine Schale und nichts drin” laut Shakespeare) ? Und Fräulein Arsinoé nimmt ihr Strickzeug wieder auf - Kaninchen 3 und Kaninchen 4, Kaninchen 7; Kaninchen 7 und Kaninchen 3, Kaninchen 10 - auf dem Weg zum Nobel-Preis für Mathematik.
Claude d’Esplas (Les Merlufleaux)
All rights reserved
Übersetzung Dagmar Coward Kuschke - Tübingen
|