Voir aussi : C’est la vie de bohème ou l’art d’expliquer le "Conte d’hiver" de Shakespeare (1564-1616)
Es war einmal, vor mehr als 400 Jahren, ein Bürgermeister in Stratford: John Shakespeare. Er war von Beruf Handschuhmacher, ziemlich wohlhabend und Oberhaupt einer kinderreichen Familie, darunter William. Bei seinem Tode vermachte er £ 25O 000 pro Jahr an seine gute Stadt Stratford, ein Vermächtnis, von dem das ehemalige, von William besuchte College profitierte, während sich die anderen Schulen den Rest von £ 2000 teilten: was zuviel ist, ist zuviel ! Das ehemalige College von William wird sein Theater verlieren. Da hat ein Märchen-Prinz (gleich dem, der seinen Urin auf die Gesundheit seiner Dame trinkt, so im Wintermärchen) eine neue Schule in Stratford eröffnet, um den Schulmeistern zu helfen, Shakespeare besser zu würdigen und - damit - die Monarchie, weil Shakespeare zu allen Menschen spricht, an allen Orten, zu allen Zeiten; weil er eintritt für Ordnung, Hierarchie und konservative Werte; weil er den blaublütigen Adel liebt, weil er eine alte Rasse anbetet und eine aristokratische Mystik lehrt; weil Ludwig XIV. - und Fouquet ! - die “ersten Ausgaben” in ihren Bibliotheken besassen und der Barde der Zarin Katharina von Russland geholfen hatte, sich von ihren französischen Sympathien zu lösen; und weil die grosse Elizabeth keine Fenster in die Aussenseite ihrer Untertanen einbauen konnte, um zu erspähen, was sich im Inneren abspielt und weil das Oberhaupt der Church of England, Verteidiger des Glaubens, wenn nicht aller Glauben, dem Ökumenismus von Othello verpflichtet ist:
Ein Türke mit grünem Turban profanierte eine Kirche,
Beleidigte einen Christen; der Mohr von Venedig
Hielt ihn an; umsonst bat er um Gnade,
Er fasste ihn an der Kehle und schlug ihn so
(Er erdolcht sich und fällt rücklings um);
und weil der Stratforder 100 Jahre Geschichte in einer Serie von Chroniken eingeführt hat, die Grabräuber vor dem Fernsehschirm glücklich machen können, und weil er Coriolanus als “Vaterlandsretter” darstellt, ein Stück, das in den Dreissiger Jahren in Deutschland so beliebt war, dass der amerikanische Besatzer es später den Besiegten verbieten musste, zugunsten einer musikalischen Komödie, Ten little Indians, die zu der Zeit Gegenstand heftiger Begeisterung am Broadway war und die im Juli 1945 im Festspielhaus Bayreuth in der Mutter-Sprache von Frau Winifred Wagner aufgeführt wurde.
Dies alles trotz des Gejammers des Pöbels, wie die Frau Botschafterin für England in Paris sagte, und entgegen der “neuen Geschichte”, für die Literatur und Kunst keinen bevorrechtigten Status in der City haben konnten; und dies entgegen der Psychoanalyse: Freud fragte sich, ob Shakespeare Franzose oder Italiener war, nachdem er das Buch von Looney gelesen und sich zur Oxforder Schule bekehrt hatte und selbst integrierender Bestandteil der Pathologie, die er analysierte, geworden war (aber Freud war schon überzeugt, dass Moses ganz klar Ägypter war !); und entgegen dem Feminismus (Shakespeare, war er, war sie, Elizabeth oder Mary Stuart ?), dem Kolonialismus (weder Irland noch Indien ändern das geringste an der Sache, so wenig wie die Stürme am Bermuda Dreieck), und auch entgegen den neuen Formen der gesellschaftlichen oder affektiven Beziehungen (Der König Lear und seine Töchter) oder der sexuellen (Dein verunreinigtes Blut, gemein, gemischt, habe ich vergossen); dies trotz der schweren Arbeiterunruhen von 1595 in London, als die Lehrlinge in Fleisch und Blut bis auf die Bühne vordrangen, wo der Sommernachtstraum gegeben wurde; und trotz der ruinierten Landwirtschaft nach dem Sieg von Waterloo, der Hungermärsche, der Abschaffung des Habeas Corpus, alles Ereignisse, die den Opiomanen Coleridge so sehr beunruhigten, dass er erfand, William Shakespeare sei der einzige Festungswall, der einzige Verteidiger der Insel von König Richard II. ; dies unbekannt auch den Sherlock Holmes der Textkritik, die behaupten, dass die Malvolios, Shylocks, Iagos, Calibans, Macbeths oder andere in die Irre Geführte im Theater des Barden ausgezeichnet die Abszesse des politischen Systems oder die Spannungen in der damaligen elisabethanischen Gesellschaft - wenn nicht in allen Gesellschaften -wiedergeben mit ihren Systemen von Unberührbaren, von Demonisierung der Rivalen im Herzen des Gruppenimperialismus, angesichts der unveränderlichen Wahrheit - wahrer Widerschein Gottes - , die ebenso “determiniert” ist wie das Würfelspiel des Jehovahs der Physiker; ob dies nun den Anbetern des Sonetts 144 gefällt oder nicht, das Sonett der zwei Lieben des Grafen von Southampton mit dem stolzen Leitspruch (Un partout tout par ung), oder den Bewunderern des Grafen von Poitiers und seiner zwei Reitpferde (Dos cavalhs ai a ma selha ben e gen ...): trug nicht die Jacht der Flotte der Tochter Heinrichs VIII. dem Liederlichen den Namen True Love (die Fin’ amor Eleonores?), Vorgängerin der BAe 146 der Flotte der Tochter von Georg VI. (God save the Queen !) der näheren Vergangenheit?
Nach etwa 37 Stücken und anderen Kleinigkeiten für den Papierkorb und die Stammgäste im dritten Rang des Globe Theaters kehrt ein gewisser Shakespeare ins Land zurück, fern von den Lorbeer-Kauern der Hauptstadt, reich, gut angesehen in seinem schönen Haus in Stratford mit den Fensterscheiben aus Glaserdiamanten: New Place. Er ist zurück bei seinen lieben Wäldern, den Feldern von Wilmcote, den Wiesen von Snitterfield, dem Avon in seinem lehmigen Bett, der unter den spitzbögigen Brücken fliesst, den Pflügen mit Achtergespannen, dem Parfüm der Kellnerinnen, den Flüchen im Dialekt des Warwickshire, den Dorfhähnen, den betrogenen Ehemännern, den streunenden Hunden (Wann hast du mich ein Bein heben sehen ?), den unwilligen Schülern, den gezähmten Widerspenstigen, den fliehenden jungen Mädchen, den Gourmet-Richtern, den satten Matronen, den spitzbübischen Alten, er findet die Spuren der Liebe in seinem alten Blut und diesen guten alten Saft, der im Frühling wieder hochsteigt (Gott, schütze dich !), zurück bei dem sauren Apfelwein, den verfaulten Äpfeln und den Steuern, die er “vergessen” hat zu zahlen, er, der Steine tonnenweise, Weizen zentnerweise und Malz verkauft, er, der sich an der Wiederherstellung der Strassen der Grafschaft beteiligt und Purpur getragen hat anlässlich der Thronbesteigung des Königs (oder der Königin ?) Jakob in London (Rex fuit Elizabeth, nunc est Regina Iacobus, verdient das nicht ein Sonett ?), einer Stadt, wo er noch Aktionär von Theatern ist ... Ende gut, alles gut ...
Da verfasst er ein langes Testament, weit weg von diesen kläffenden Kritikern, die ihn als einen mit Pfauenfedern geschmückten Eichelhäher behandeln und die ihn anklagen, sich für den einzigen“Bühnen-Erschütterer” im Land zu halten (wie es einer der Eifersüchtigen an der Cam sagt), fern von diesen Berufs-”miles gloriosus”, die später in ihm eine diebische, pornographische Elster sehen, die ihre obszönen Eier in die anständigen Nester der anderen Menschen legt, oder weit entfernt von diesen Bezauberern kleiner Mädchen, die ihn von anstössigen Stellen reinigen wollten - im Namen der Oxforder Tugend, so wie an der Isis gepredigt (oh Lewis Carroll !), und ganz vergessend, dass er von den Richtern verdächtigt wurde, beim letzten Abtritt des Dramaturgen Marlowe handfest beteiligt gewesen zu sein.
Aber ist nicht das Wesentliche, damals wie jetzt, die lieben zahlenden “Arschlochkriecher” (oh Romeo !) sicher in die Theatersessel zu führen (selbst wenn im Barbican Theater, laut Direktorin, die “Aufführungserschütterer” in den engen Örtlichkeiten der siebenten unterirdischen Etage Unruhe schaffen), und dies auf Kosten der Unauffindbaren der Musik, die manchmal zu Hilfe gerufen wird, denn Mozart hatte wohl gewünscht, den Sturm zu meistern, Beethoven fing einen Macbeth an, Mass für Mass inspirierte Wagner und sein Liebesverbot, und Verdi, selbst wenn er vor der Gewitterszene in König Lear zurückschreckte (wie übrigens auch Puccini, Debussy, Beethoven, E. Elgar oder Benjamin Britten), hat doch Othello und Falstaff erfolgreich zu Ende gebracht, während er Berlioz und Gounod die zarten Herzensdinge von Beatrice und Juliet überliess. denn laut Shakespeare :
“Der Mensch, der keine Musik in sich hat
Und auch nicht vom Zusammenklang süsser Töne gerührt wird,
Ist bereit zu Verrat, List und Beutenahme,
Lasst uns keinem solchen Menschen trauen.”
The Merchant of Venice (Akt V, Szene 1)
Bridge upon the Avon
Stratford / Avon
Der Bürgermeister von Stratford, schmucke kleine Stadt im Herzen des grünen Warwickshire, nicht weit von Coventry, Kenilworth oder Birmingham, ist zufrieden : die Rinderpest auf Bacon, Ralegh, Ben Jonson, Drayton, auf de Vere und andere auf den Wahllisten nicht Eingetragene, oder auf diese Sauertöpfe, die finden, dass das Wiehern eines Pferdes oder das Knurren eines Hofhundes mehr Menschlichkeit hat als die tragischen Tiraden des Schwans vom Avon.
Heute wühlt man in Gräbern, schürft im Bett der Flüsse, dreht die Platten in den Kirchen um, horcht das Souterrain der Schlösser ab, druckt Banknoten und Postkarten mit dem Bild des Dichters, dreht Filme, schreibt Doktorarbeiten, lässt den Komputer sprechen, hängt Schilder an Gasthäusern auf, stellt Schlüsselringe her, webt T-Shirts, graviert Hologramme auf Telefonkarten, gründet literarische Gesellschaften, stimmt für Subventionen, etc.
Warum also nicht Königin Isabellas (oder war es Churchills ?) Schlussfolgerung akzeptieren:
Dass die Engländer als Franzosen, die Franzosen als Engländer einander empfangen können ... (Henry V) .
Übersetzung Dagmar Coward Kuschke - Tübingen
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