Bereits 1854 schrieb Wagner an Liszt : ‘Ich habe im Geist Tristan und Isolde entworfen, die einfachste, aber auch die vollblütigste Komposition; mit der schwarzen Flagge, die am Ende gehisst wird, werde ich mich dann zudecken, um zu sterben’.
Das im Juni 1857 in Zürich begonnene Tristan Gedicht wurde im September vollendet. Der Komponist hat immer bestätigt, dass er nie eine musikalische Inspiration hatte, bevor die dramatische Idee vollständig Besitz von ihm ergriffen hatte, und Wagner begann sofort die Arbeit an der Partitur, die er in Venedig schrieb, und in Luzern vollendete (1859).
Bekanntermassen stehen Text und Musik in einem so engen Verhältnis wie das Leben von Mathilde Wesendonck und Richard Wagner zu dieser Zeit.
Die erste Aufführung des Werks fand in München statt, am 10. Juni 1865, mit Hans von Bülow, der das Orchester dirigierte. Ludwig Schnorr von Carolsfeld und Malvina Garrigues, Ehepaar, spielten die Rollen von Tristan und Isolde auf der Bühne.
Das musikalische Drama entfaltet sich in drei Akten und an den folgenden Orten:
Akt I: Auf See, auf dem Deck von Tristans Schiff, während der Überfahrt von Irland nach Cornwall.
Akt II: In Markes Königsschloss in Cornwall.
Akt III: Auf dem Herrensitz Tristans in der Bretagne.
Die Odyssee der Liebenden ist berühmt, aber Wagner hat die Legende erheblich umgeformt, um sie der Bühne anzupassen. Es ist wahr, dass er sich sich an Gottfried inspiriert, aber er wirft dem Kleriker von Strassburg vor, sich nur für erzählerische, anekdotische, wenn nicht geradezu abschweifende Episoden zu interessieren.
Akt I: Bei Tage
Das Drama beginnt kurz bevor das von Tristan befehligte Schiff die Küsten Cornwalls erreicht. Tristan bringt Isolde, König Markes zukünftige Frau, zu ihm. Schon hat sich Isoldes Blick mit seinem gekreuzt. Wenn sich der Vorhang hebt, liegt Isolde, die Tristan liebt, ohne es sich selbst einzugestehen, auf dem Schiffsdeck, und ist gereizt durch den Text eines Liedes, das ein Seemann in den Seilen singt: ‘Mädchen aus Irland, wildes, liebliches Mädchen...’. Sie schickt Brangäne, ihre Begleiterin, Tristan zu holen, der nicht kommt. Brangäne, der Kurwenal ein provozierendes Lied über den Morold singt, informiert Isolde über die Weigerung Tristans. Isolde, die sich verhöhnt fühlt, erinnert dann an die Ereignisse, die dem Heben des Vorhangs vorausgegangen sind (die Kindheit des Waisen; der Kampf mit Morold, Prinzessin Isoldes Onkel; Verwundung und Heilung Tristans; Isoldes Wunsch nach Rache und Tristans Blick, der sie entwaffnete). Jetzt sieht sie sich verraten, denn Tristan wird sie Marke aushändigen. Brangäne bringt das Kästchen mit den Zaubertrünken, von denen Isolde ein Gift auswählt, das sie für Tristan bestimmt.
Kurwenal, Tristans Knappe, verkündet, dass Land in Sicht ist. Er geht seinen Herrn holen, während Brangäne auf Geheiss Isoldes das Gift in den Kelch schüttet. Als Tristan eintritt, klagt ihn Isolde des Todes von Morold an. Tristan schuldet ihre Genugtuung! Er hält Isolde sein Schwert hin: ‘Hier ist mein Schwert, schlage mich, ich bin bereit zu sterben’; sie antwortet: ‘Oh nein, nicht Tod, Versöhnung biete ich dir an: lass uns zusammen trinken, hier ist der Trunk’. Isolde hält den Kelch Tristan hin, der verstanden hat, dass sie ihn vergiften will. Er trinkt, ohne zu zögern; Isolde entreisst ihm den Kelch und leert ihn. Zusammen erwarten sie den Tod. Aber kaum haben sie getrunken, umschlingen sie sich. Brangäne und Kurwenal trennen Tristan und Isolde, die sich ihre Liebe gestehen; jemand legt einen königlichen Mantel auf Isoldes Schultern; Marke ist schon angekommen.
Akt II. Bei Nacht
Der Mond erhellt das Schlossgelände, auf das die Gemächer Isoldes hinausgehen. Es ist Nacht, eine balsamische Sommernacht. Die königlichen Jagdhörner ertönen. Isolde tritt in grosser Bewegung hinaus. Sie geht die Fackel löschen, deren Licht Tristan fernhält, aber Brangäne empfiehlt Vorsicht, da sie eine von Melot, einem Ritter an König Markes Hof, gestellte Falle vermutet, in dieser nächtlichen Jagd. Isolde löscht die Fackel. Tristan eilt zu ihr. Die Liebenden fallen sich in die Arme, und beginnen ein immenses Liebesduett.
Der Tag bricht an. Kurwenal kommt knapp vor dem König an, der, von Melot gewarnt, unerwartet erscheint. Marke ist starr vor Staunen beim Anblick des Paars, das ihn verraten hat. Tristan sagt nichts, lädt aber Isolde ein, ihm auf Kareol, sein Schloss am Meeresufer, zu folgen. Melot gerät in Wut, zieht sein Schwert; der verwundete Tristan sinkt in Kurwenals Arme. Isolde wirft sich auf Tristan. Marke hält Melot zurück.
Akt III
In diesem letzten Akt ruht Tristan, in der Obhut Kurwenals, im Hof seines Herrenhauses in der Bretagne, hoch über der See. Kurwenal erwartet die Ankunft von Isolde, die er benachrichtigt hat. Ein oben auf der Klippe platzierter Hirte soll auf seiner Schalmei ein freudiges Lied spielen, sobald er das Segel sieht; vorläufig sind es nur traurige Melodien. Tristan erlangt wieder das Bewusstsein und kann nur an Isolde denken. Die fröhliche Weise erschallt. Kurwenal eilt, um Isolde willkommenzuheissen. Der allein gebliebene Tristan kann seine Erregung nicht bändigen: er zieht sich hoch, reisst seinen Verband ab, bricht aber in der Mitte der Bühne zusammen. Isolde kommt an, stürzt zu Tristan und hört ihn einmal ihren Namen flüstern, bevor er stirbt. Ohnmächtig fällt Isolde auf Tristans Körper. Der Hirte verkündet die Ankunft von Markes Schiff. Kurwenal organisiert die Verteidigung von Kareol, aber Markes Soldaten, mit Melot voran, brechen durch das Tor von Tristans Schloss. Kurwenal tötet Melot, bevor er selbst fällt, tödlich verwundet. Isolde, die das Bewusstsein wiedererlangt hat, befreit sich aus den Armen Brangänes, die ihr sagt, dass Marke, der von der Täuschung erfahren hat, gekommen war, um zu verzeihen und die Liebenden zu vereinen.
Isolde erhebt sich und beginnt, ohne den König anzuhören, eine verzückte Melodie zu singen, während das Liebestod Motiv sanft aus dem Orchester hochsteigt und langsam zu einer leidenschaftlichen Ekstase anschwillt, bevor es einen instrumentalen Paroxysmus erreicht. Es scheint Isolde, dass Tristan lebt, und dass ihre Seelen, auf immer vereint, in den Äther aufsteigen. Isoldes Singen schwillt an, verbreitert sich und wie verklärt lächelnd, mischt sie ihren Atem in den immensen Atem des Universums. Marke segnet die Körper von Tristan und Isolde.
In ihrer Einfachheit ist diese Geschichte wie eine griechische Tragödie, denn jede Peripetia wird dargestellt durch die verschiedenen Stadien einer sichtbar gemachten Leidenschaft. Es ist die Aufgabe der beiden Vertrauten, Brangäne für Isolde, und Kurwenal für Tristan, die Eindrücke der Helden des Dramas festzuhalten, und uns durch ihre vertraulichen Mitteilungen zu helfen, der Abfolge der Gefühle, die die Geschichte zu ihrerm Dénouement führen, nachzugehen. Das Hauptinteresse dieses Werks ist daher, etwa in der Art der mittelalterlichen Erzähler, die Gefühle auszudrücken, die Tristan und Isolde erleben, und musikalisch die treibenden Kräfte (oder Motive) zu notieren, die für die dramatische Entwicklung verantwortlich sind. So ist es die Aufgabe des Interpreten, uns zu befähigen, die inneren Gründe des Dramas vollständig, wenn nicht exklusiv, zu erfassen.
In dieser Tragödie, wie in der von Eden (ist religiöse Offenbarung nicht mit der Offenbarung von Liebe identisch?), ist es die Frau, die dem Himmel trotzt, bevor die Seelen schliesslich in die Welt-Seele integriert werden, in das Wesen des Universums, wobei sie, mit den Worten des Komponisten, dieser ‘Offenbarung des Mysteriums unserer Existenz durch Töne’ folgen.
‘Liebestod’ oder
‘Verklärung’?
Mild und leise wie er lächelt,
Wie das Auge hold er öffnet,
Seht ihr’s, Freunde? Säht ihr’s nicht?
Immer lichter wie er leuchtet,
Stern-umstrahlet hoch sich hebt? Seht Ihr’s nicht?
Wie das Herz ihm mutig schwillt,
Voll und hehr im Busen ihm quillt?
Wie den Lippen, wonnig mild,
Süsser Atem sanft entweht:
Freunde! Seht! Fühlt und seht ihr’s nicht?
Höre ich nur diese Weise,
Die so wundervoll und leise,
Wonne klagend, alles sagend,
Mild versöhnend aus ihm tönend,
In mich dringet, auf sich schwinget,
Hold erhallend um mich klinget?
Heller schallend, mich umwallend,
Sind es Wellen sanfter Lüfte?
Sind es Wogen wonniger Düfte?
Wie sie schwellen, mich umrauschen,
Soll ich atmen, soll ich lauschen?
Soll ich schlürfen,untertauchen?
Süss in Düften mich verhauchen?
In dem wogenden Schwall,
In dem tönenden Schall,
In des Welt-Atems wehendem All,
Ertrinken, versinken, unbewusst, höchste Lust!
Die erste Aufführung der Oper Tristan und Isolde fand 1865 in München statt, aber das ‘Vorspiel und Finale’ des dritten Akts waren bereits durch zahlreiche Konzertaufführungen vor diesem Datum bekannt. Wagner sprach von ‘Liebestod’, um das ‘Vorspiel’ zu bezeichnen und von ‘Verklärung’ in Bezug auf das Finale. Indessen verbreitete sich Liszts Piano Transkription des Finales unter der Bezeichnung Liebestod schneller als die Oper selbst. Der Name ‘Liebestod’ hat sich allgemein durchgesetzt und behauptete sich selbst entgegen der Definition von Richard Wagner, der sich bemühte, Mathilde Wesendonck die Natur des geheimnisvollen Königreichs, zu dem seine zwei Protagonisten streben, zu erklären. Er fragt sich: ‘Sollen wir es Tod nennen oder ist es der Zauberbereich der Nacht, aus dem gemäss der Legende ein Efeu und eine Rebe eng umschlungen emporwuchsen’, was gleichsam an Berouls ‘estroited embrachiez’ anschliesst.
Eine Anzahl Sängerinnen, von Koloratur bis Alt, haben, auf der Bühne wie auch auf Schallplatte, den Test der ‘Verklärung’ versucht und auf gewisse Weise mit ihren Persönlichkeiten diesen grandiosen Schluss-Klimax eines aussergewöhnlichen Werks besiegelt, das mit einem in jeder Bedeutung des Wortes perfekten Akkord endet. Zylinder, 78er, Langspielplatten, Compact Discs, Digitalkassetten oder audio-visuelle Aufnahmen bewahren eifersüchtig - wenn nicht mitleidlos - die Etappen einer Überfahrt, bei der jeden Augenblick eine Klippe droht. Seltsamerweise sind die Bojen wohlbekannt.
Notation: 1) Immer lichter wie er leuchtet
Fast der gesamte Stimmumfang eines Soprans ist hier gegeben, vom tiefen Es zum hohen As unter Einschluss der gesamten Mittel- und hohen Mittelstimme. Dieser Umfang ist der schwierigste in Bezug auf absolutes legato Singen (ganz zu schweigen von dem falschen Problem des ‘Bruchs’ in der Stimme), in dem man die Platzierung der Stimme sehen kann, die Farbe, das mögliche Verdicken oder Verdünnen des Tons und daher die Fähigkeit, die eine verlangte Farbe der Tongebung zu respektieren.
Das Problem des As ist, dass es Strahlkraft haben muss, was erklärt, warum auf dieser Note stimmliche Effekte mittels forte versucht werden, die zu einer angestrengten hohen Mittelstimme führen, wobei sich leichte Stimmen heiser schreien, die anderen zu einem ‘Nebelhorn’ werden. Der ganze Wagner sei, sozusagen, zu tief angelegt... ‘Dulce la voiz e bas li tons’ gibt Thomas an.
Notation: 2) Sanft entweht
Dieses pianissimo muss auf dem hohen G gehalten werden, und auf der akzentuierten tiefen Oktave in kontinuierlichem legato verlängert werden. Wagner verlangt ein pianissimo am Ende des Atemzugs, wo die Stimme normalerweise Farbe verliert; zusätzlich steigt und fällt die Notation.
Notation: 3) Höre ich nur diese Weise
Die eigentliche ‘Verklärung’ beginnt hier, mit einer Stimme, die eine neue Dimension annimmt, ätherischer, breiter, prächtiger, im crescendo aufsteigend, bis sie sich im Unendlichen verliert.
Notation: 4) Wonne klagend
Die gruppetti, diese Gruppe von Noten, die sich um eine zentrale Note drehen, müssen auf dem Atem schweben und elastisch gehalten werden (das ganze Problem des bellinischen bel canto kurz zusammengefasst). Dieselbe Bemerkung gilt für das Orchester. Wagners Bewunderung für Bellini ist wohlbekannt: zum Hauptdirigenten am Deutschen Stadt-Theater (gegründet 1782 in Riga, und jetzt Vagnera Zale) ernannt, ergriff
R. Wagner die Initiative, Norma (11. Dez. 1837) zu inszenieren, mit Amalia Planer, der
Schwester seiner Frau, in der Titelrolle.
Notation: 5) Um mich klinget
Hier findet sich, was manche beharrlich - sotto voce - den ‘Bruch’ in der Stimme nennen, das sogenannte F der soprani. Die Interpretation ist völlig offensichtlich, von daher die benötigte sehr grosse Intensität für das Eis, das fünf Taktschläge gehalten werden muss. Das E wird in den meisten Fällen ‘abgeschnitten’ oder existiert nicht wegen Atemmangels.
Notation: 6) In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall,
in des Welt-Atems wehendem All
Der Ton muss ausgehalten werden in der relativ tiefen Mittelstimme wegen dem E, die Bewegung geht um diese Note, die länger und länger gehalten wird, bis Erschöpfung einsetzt. Alle Arten von Stimmen haben ihr Glück versucht auf die Gefahr hin zu sinken.
Der mezzo gefällt sich in dieser gewichtigen Höhenlage, und trägt das Gis soweit wie möglich.
Die Stelle erweist sich als zu tief für den lyrischen Sopran, der die Notenlinie verlässt, und zum hohen Register tendiert.
Das zerbrechliche Skiff des hellen Soprans jagt in einem bestürzenden staccato darüber hin, bevor es bei der Ankunft am tiefen H verschwindet.
Äusserst selten sind die Stimmen, die es schaffen, gegen Winde und Gezeiten, auf Kurs zu den glücklichen Inseln zu bleiben.
Notation: 7) Höchste Lust
Das Wort, das nicht länger Fleisch ist, geht in den Dynamismus des Universums über; Trennung, wenn sie überhaupt existiert, wird nur durch den Doppelstrich nach dem Akkord ganz am Ende der Partitur markiert (der Konsonant ‘t’ von ‘Lust’ muss deutlich hörbar sein).
‘Isolt chante molt dulcement
La voiz acorde a l’estrument,
Les mains sunt beles...
Dulce la voiz e bas li tons’
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