Versuch einer Rekonstruktion
Die Geschichte von Tristan und Isolde könnte folgendermaßen rekonstruiert werden : Zuerst eine Art Einleitung, die, im Tristran von Thomas, für die ganze Romanze den Ton angibt. Sie handelt von der Kindheit Tristans, und seiner Vorstellung bei Mark, König von Cornwall, als junger, armer Waise.
In einer zweiten Folge wird Isolde vorgestellt, und ihr Verhältnis zu Tristan vor dem Trinken des Liebestranks erklärt.
In einer Eröffnungßzene kommt der Riese Morhot nach Cornwall, um den Tribut an jungen Leuten, den dieses Land Irland schuldet, abzuholen.Tristan fordert Morhot heraus und tötet ihn im Einzelkampf; ein Splitter der Schneide des Schwerts bleibt indeßen eingebettet im Schädel des Riesen. Tristan selbst empfängt eine Wunde, die sich gefährlich infiziert. Niemand kann ihm helfen. Er wird gemäß den keltischen Begräbnisriten in ein Boot ohne Segel gelegt und den Strömungen überlaßen.
Das Boot treibt an die Gestade Irlands. Tristan nennt sich fahrender Sänger und verbirgt seine Identität unter einem verstellten Namen; die Zaubertränke von Königin Isolde, der Schwester Morhots, aßistiert von ihrer Tochter, Isolde der Blonden, heilen ihn. Tristan verläßt seine Wohltäterinnen, ohne seine Identität enthüllt oder von Morhot gesprochen zu haben und kehrt nach Cornwall zurück.
Die zweite Szene beschreibt den Empfang von Tristan (tot geglaubt) durch das Volk von Cornwall. Mark will ihn zu seinem Thronerben machen trotz der Eifersucht der Barone, die den König drängen zu heiraten. Im Augenblick besteht nichts zwischen Tristan und Isolde, das auch nur im Entferntesten an Liebe erinnern würde.
Eines Tages läßt eine Schwalbe eine Strähne goldenes Haar auf den Ärmel des Königs fallen. Tristan erinnert sich an die Schönheit von Isolde der Blonden, und segelt mit einem prächtig geschmückten Schiff nach Irland, mit der Mißion, die Hand der blonden Prinzeßin für König Mark zu gewinnen.
Aber ein Drache verwüstet das Land. Der König hat seine Tochter demjenigen versprochen, der das Monster tötet. Tristan maßakriert das Tier und schneidet als Beweis deßen Zunge heraus; aber die vergiftete Zunge wirft ihn in der Nähe des Kampfplatzes nieder. Königin Isolde und ihre Tochter Isolde die Blonde finden Tristan sterbend, bringen ihn zurück zum Palast und heilen ihn. Inzwischen findet der Seneschall - der sehr gern Isolde heiraten würde - den toten Drachen, schneidet ihm den Kopf ab und verlangt seine Belohnung: die Hand der Prinzeßin. Eines Tages, als Tristan nackt im Bad ist, bemerkt Isolde die Scharte an der Schneide seines Schwerts, die sie an das im Schädel ihres Onkels gefundene Segment erinnert. Sie erkennt die Identität des Mannes, den sie gepflegt hat, und selbst wenn sie von ihrer ‘sanften Weiblichkeit’ behindert wird, versucht sie, Tristan zu erstechen. Er schafft es, sie zu beruhigen, indem er sie daran erinnert, daß er es war, der den Drachen getötet hat, und deshalb allein verhindern kann, daß dieser Hasenfuß von Seneschall sie heiratet; es wird genügen, daß er die Zunge des Drachens zeigt, und sein Recht verlangt: die Hand der Prinzeßin für König Mark. Tristan und Isolde segeln nach Cornwall inmitten einer fröhlichen Mannschaft, als das Schicksal zuschlägt.
Königin Isolde hat einen Liebestrank speziell für König Mark und ihre Tochter die Prinzeßin bereitet, den sie der Hofdame Brangäne anvertraut hat. Tristan und Isolde, die während der Überfahrt sehr durstig werden, trinken ihn irrtümlicherweise. Der dritte Satz - Herzstück der Geschichte wie sie von Beroul erzählt wird - handelt von der Liebe zwischen Tristan und Isolde, und den ein tausend und einen Listen, derer sie sich bedienen, um diese Liebe König Mark zu verheimlichen, der sie schließlich zusammen entdeckt. Tristan wird zum Scheiterhaufen geführt, und Mark bietet Isolde einer Bande lüsterner Leprakranker an, die sie wie ihre Beute gebrauchen sollen. Tristan gelingt es zu entkommen, rettet Isolde und beide flüchten in den Wald von Morois, wo sie, verfolgt, in totaler Zurückgezogenheit leben bis zu dem Tag, als König Mark die schlafenden Liebenden, durch die nackte Klinge von Tristans Schwert getrennt, entdeckt. Mark akzeptiert dies als Beweis für ihre Unschuld und zieht sich zurück, hinterläßt aber einen Handschuh als Zeichen für seinen Besuch. Das Leben im Wald ist so hart, daß Tristan Isolde an Marks Hof zurückbringt, bevor er selbst erneut ins Exil geht. Der König nimmt Isolde wieder zu sich, aber sie muß ihre Unschuld vor den Baronen bekräftigen, indem sie einen Eid auf die heiligen Reliquien schwört, und das Rot- glühende Eisen faßt.
Das Finale berichtet uns vom Tod von Tristan und Isolde. Tristan, weit weg in der Bretagne, heiratet eine andere Isolde: Isolde Weißhand. Bei einer Hilfeleistung für deren Bruder, Kaherdin, empfängt Tristan eine tödliche Wunde, die nur Isolde die Blonde heilen kann, die dieses schon früher getan hat. Mark läßt sie großzügig ziehen. Tristan, hoch oben auf den Klippen, wartet verzweifelt auf das weiße Segel, das ihm Heil und Liebe bringt; doch im Delirium hat er keine andere Wahl als Isolde Weißhand zu glauben, die ihm sagt, daß das Segel schwarz ist. Tristan kann nur noch sterben. Isolde die Blonde kommt an, und fällt leblos auf den Körper ihres Freundes. Mark bestattet sie zusammen.
Das ist die Geschichte von Tristan und Isolde.
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